Dieses auf den ersten Blick fragwürdige und mit exzessiver Sexualität und Gewalt versehene Werk wird bei vielen Zuschauern zunächst nichts weiter als Fragen aufwerfen und diesen eventuell in einem Status der Verstörung zurücklassen. Viele Betrachter haben die Neugier nach Antworten offensichtlich nicht dazu genutzt, um nach einem Sinn zu forschen und die Bedeutung dieses Musikvideos zu hinterfragen - ich kann nicht nachvollziehen, wie man dieses Video in einem Anflug der Gleichgültigkeit als lieblos produziertes Werk herabwürdigen kann, dessen einzigen Sinn besteht, mit möglichst eindrücklichen, visuellen Darstellungen zu schockieren. Gewiss, dieser Faktor scheint vorhanden zu sein, doch wenn man die tiefe Bedeutung von 'Me! Me! Me!' kennt, wird man feststellen, dass es keine andere Möglichkeit gibt, um eindrücklich die vorgegebene Botschaft zu transportieren.
Von Anfang an: dieses Werk hat eine tiefere Bedeutung - welche jedoch philophisches Geschick verlangt, um verstanden werden zu können: nämlich den in Japan bekannten 'Otaku'. Jemand, der sein Leben verhältnismäßig übertrieben und beinahe in einem ungesunden oder zerstörenden Mass einer Leidenschaft, beispielsweise Anime, Videospielen oder Hentai hingibt. In anderen Worten, die im westlichen Raum eventuell eher Klang finden: den typischen 'Nerd'. Jemand, der viel Zeit und Geld in seine Leidenschaft investiert und in Folge dessen sozial verarmt.
Dieser fokussierte Typus wird im erwähnten Video durch sein Zimmer hervorgehoben: unordentlich - wenn nicht beinahe versifft, wenn man die überall verstreuten Zigaretten beachtet, der Fernseher läuft - man kann davon ausgehen, dass dieser ewig läuft - während der Charakter schläft und im Bildschirm spielt sich Erotik ab, die Ausstattung des Zimmers ist stark auf Anime und Hentai fixiert - was man beispielsweise an Poster und (selbst zusammengebauten) Actionfiguren erkennt. Ich belasse es bei diesen Indizien und gehe zum nächsten Punkt über.
Im weiteren Verlauf wird das Video mehr und mehr abstrakt, die Geschehnisse sind nicht mehr sehr leicht festzumachen und man findet sich vorwiegend in einem Meer aus Farben, Pornografie und Musik - dieser Tatsache wird es zu verdanken sein, dass viele Zuschauer diesen Anime bereits in eine Schublade gesteckt haben, ganz im Sinne von: "verstehe ich nicht, muss ich nicht verstehen."
Man bemerkt im Verlaufe des Videos eine Frau, die weint und offenbar eine Bindung zur dargestellten Figur hat - oder zumindest hatte, denn dieses Bild scheint eine vergangene Vision zu sein und es taucht auch mehr und mehr eine nackte Frau auf, die tanzt, die große Brüste hat und vor allem eins tut: verdammt erotisch sein. Diese erotische Frau wirkt wie ein Feind, eine Art Blutegel, der den Protagonisten aussagt und zerstört. Dies wird im Video in Form von Kannibalismus aufgezeigt. Dies lässt im Hinblick auf das Thema die Schlussfolgerung zu, dass es sich hierbei um eine Sucht handelt, die den Protagonisten einnimmt und sich - wie eine Sucht sich nun mal verhält- massiv und sehr destruktiv auf das Leben einwirkt. Es mag sich hier um eine sehr starke 'Leidenschaft' zu Anime handeln oder möglicherweise eine Hingabe zu Hentai - zumindest, und das lässt sich erkennen, ist es ein Problem. Es ist 'böse' - so wird es im Video konstant suggeriert und dieses Problem - personifiziert durch jene erotische Frau - steht der Beziehung im Wege... der Beziehung zur Freundin des Protagonisten, die - wie man ja sehr schnell sieht - weint und traurig ist. Sie ist traurig, weil der Protagonist - wie man ebenfalls sieht - sich von ihm abwendet. Er kann sich ihr nicht hingeben, weil sein Leben auf anderes Thema fixiert ist - ich weise nochmals auf sein Zimmer hin.
Also: die Sucht übt sich destruktiv auf die Beziehung, der Protagonist wird von dieser verschluckt. Er fühlt sich offenbar leer und wird von seinen Süchten konsumiert. Im weiteren Verlauf sieht man Szenen, die einem Ego-Shooter gleichen. Der Protagonist setzt sich zur Wehr (gegen erwähnte erotisch dargestellte Frau), kämpft gegen seine Süchte an - doch diese ist stärker, übermannt ihn und dies wird im Video auch sehr deutlich gezeigt. Der Protagonist verliert seine Freundin und in den letzten Szenen sieht man, wie die 'böse' Frau, welche die Sucht (Anime, Pornografie, Internet, was auch immer) personifiziert, den Protagonisten küsst und im folgenden ist auch sein Kopf zu sehen: er hat den Kampf verloren und ist in seinem Teufelskreis gefangen: das Video beginnt dort, wo es aufgehört hat, es 'loopt' sich. Perfektes Ende.
Alle diese Elemente, in der richtigen Kombination, ergeben Sinn und stellen sehr eindrücklich die Probleme dieser Gruppe, den bereits erwähnten 'Otakus' oder 'Nerds' auf. Ich vertrete die Ansicht, dass die gezeigte Pornografie und Gewaltdarstellung vonnöten war, um die richtigen Eindrücke und Gefühle zu übermitteln, weil dies eben das Leiden der Betroffenen darstellt. Man wird aufgefressen, man ist hilflos, man kann nicht entkommen und es zerstört das soziale Leben, man vereinsamt, man versinkt und verwahrlost. Depressionen treten auf. Alle diese Aspekte wurden im Video sehr gut untergebracht und ich bezeichne diese Darstellung als Meisterleistung. Denn das - und nichts anderes - ist dieses Werk.
An alle Kritiker, die sich offenbar gar nicht damit identifizieren können, die sich nicht in dieses Video rein denken können, nicht über ihren Tellerrand sehen, über kein philosophisches Geschick verfügen, die tun mir ehrlich Leid.
Dieses Review soll keine umfängliche Analyse darstellen, dazu habe ich zu viele wichtige Standpunkte ausgelassen. Ich wollte lediglich klar stellen, dass eine tiefere Bedeutung hinter diesem Werk steht.
Eure Jaycee.~