Qiao Qiao (2010)

Dies ist ein Abschluss-Kurzfilm, der von drei Absolventen der 95. Klasse des Instituts für Multimedia-Animationskunst der National Taiwan University of Arts produziert wurde
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Sich mit allen verfügbaren Sinnen ein Bild von der Welt machen - wie funktioniert das? Besonders, wenn einem der Gesichtssinn abhanden gekommen ist?

Darauf gibt dieser Kurzfilm eine Antwort, indem er dem Zuschauer nur soviel visuell enthüllt, wie sich auch das kleine Mädchen anhand ihres Geruchs-, Gehör- und Tastsinns ein Bild ihrer Umgebung zu machen vermag. Ganz zu Beginn schon wird das leitmotivisch formuliert, wenn rein anhand tapsender Schritte sich zunächst Pfotenabdrücke, dann der zugehörige Hund und am Ende das Mädchen mit dem Hund dem Blick erschließen.

Erzählt wird nichts in diesem Werk, nur gezeigt. Und nur das, was das Mädchen aus seiner eigenen Perspektive zu erfahren in der Lage ist. Und zwar neutral, keinesfalls kommentierend oder gar moralisch wertend.

Unter Umständen dauert es ein wenig, bis dem Zuschauer klar wird, wie es um das Mädchen steht. Der ziellose Blick, die unsicher tastenden Schritte verraten es. Es überrascht auch ein wenig, welch leichter, heiterer Grundton hier trotz allem angeschlagen wird, in schönsten Bilderbuchfarben breitet sich die warme Welt einer westlichen Kleinstadt aus, auch die Personen wie der allgemeine Animationsstil sind ausgesprochen westlich geprägt, und es hat zweifellos seinen ganz eigenen Reiz zu erleben, auf welche Art die Kleine die schwierige Situation meistert, beispielsweise indem sie unter Anwendung eines Zauberstabs als magical girl die verborgen scheinende Welt gleichsam erlöst und die sich nun ihrer Imagination entblättert.

Der Bus als pfeiferauchender Fisch? Am Himmel ein Wal, der mächtig und träge seine Bahn zieht? Warum auch nicht! So erkennt sie das formlose, undefinierbare Etwas, das die Mülltonne zum Scheppern bringt, denn auch erst als Katze, als diese sich miauend meldet und ihr um die Beine streicht.

Gogo, ihr treuer, tapferer Hund jedenfalls rettet den Tag und die Welt ist wieder in Ordnung. So dass nun die ganze Imagination als Kleine Hexe aus ihrer Einbildungskraft wieder verschwinden darf.

Zurück bleibt eine Welt, wie der Zuschauer sie erleben kann, und auch der über den Himmel dampfende Wal stellt sich nun als ordinäres Flugzeug heraus. Wie unpoetisch!

Und doch - eines sollte man sich klarmachen:
Als visuelle Darstellung, wie sich ein blindes Mädchen dennoch ein Bild von der Welt machen kann, funktioniert das hier Gezeigte nicht. Oder nur sehr eingeschränkt. Nämlich dann, wenn sie ausreichend lang Gelegenheit hatte, diese Welt sehend zu erfahren. Blind sein bedeutet schließlich nicht, auf solche Weise nichts sehen zu können, wie wenn unsereins die Augen zumacht. Daher sehe ich dieses Werk aus etwas anderem Blickwinkel: Trotz geschlossener Augen wachen Sinnes durch die Welt gehen - das ist es wohl, was dieser Kurzfilm am ehesten thematisiert. Und an einigen Stellen blitzt dies auch deutlich auf.

Bleibt noch ein Wort zum allgemein Künstlerischen: präzise animiert, super Timing und perfektes Pacing. Man ist so sehr mit Schauen und Staunen beschäftigt, dass man das überhaupt nicht registriert. Schlicht grandios.