Makiba no Shoujo Katri (1984)

Die meisten der WMT-Serien leben von ihrem Charme und ihrer Atmosphäre. Wenn der Regisseur ein glückliches Händchen hat, liegt ihr größtes Kapital in der Glaubwürdigkeit der Charaktere.

Makiba no Shoujo Katri liegt irgendwo dazwischen. Da ist viel Geniales neben viel Mittelmäßgem. Was bei Serien, die so um die 50 Folgen lang sind, nicht wirklich überrascht. Zu Beginn von Episode 23 vermurkst es der Anime stellenweise, wenn man zum Beispiel sich diesen Teich anschaut, in dessen Eis die finnischen Bauern ein Loch geschlagen haben wollen.

Ein perfekt kreisrundes Loch. Hätte Erich von Däniken das gesehen, wäre er ohne großes Federlesens zu der Überzeugung gekommen, nur außerirdische Astronauten könnten mit ihren Laserkanonen ein solch perfektes kreisrundes Loch ins finnische Eis des Jahres 1916 gefräst haben.

Auch ansonsten verbleibt die Folge im Sparmodus, zum Beispiel wenn dieser Schlitten die Kurve nimmt,
und dabei erstaunlicherweise überhaupt keine Spuren im Schnee hinterlässt. Wahrscheinlich sind das diese brandneuen Hoover Sledges von den gleichen Weltraumaliens, die auch das Loch geschnitten haben.

Aber all das macht nichts! Denn man hat sich die Ressourcen gut und sinnvoll eingeteilt und setzt Schwerpunkte an wirklich wichtigen Stellen. Wie dieses ungemein herzerwärmende Bild, wie die kleine Katri hinter ihrem Webstuhl sitzt und das Schiffchen von links nach rechts durchschubst und wieder zurück. Ich weiß nicht genau, woran es liegt, aber solche Einstellungen sind absolut süß und treiben den Empathiefaktor dramatisch nach oben.

Und apropos dramatisch: Vor allem hat man hier die Ressourcen für die dramatische Wende gegen Schluss der Folge aufgespart.

Der Bär, der schon im Winter (wohl aus dem Winterschlaf erwacht) die Stallungen unsicher gemacht hatte, treibt sich nun in den Frühlingswäldern herum. Gut, ich bin jetzt zoologisch nicht so firm, aber mir scheint das von der Kopfform her eher ein Kodiakbär zu sein.
Aber sei's drum. Denn jetzt ist der Anime dabei, den Zuschauer aus seiner Wohlfühlstimmung zu reißen und direkt am Herzen zu packen.

Das, was man hier an ungefilterten Emotionen und überhaupt an Dramatik – an glaubwürdiger Dramatik! – zu sehen bekommt, ist nicht alltäglich in der WMT-Welt. Die Unmittelbarkeit, diese Schockstarre, diesen Ausdruck von Angst und Entsetzen hat auch mir den Atem genommen und Eisesschauer über den Rücken gejagt.
Das ist als Screenshot nur schwer zu vermitteln; man muss es im Zusammenhang erlebt haben. In absolut perfektem Zusammenspiel mit der Musik: dem wilden, aufwühlenden Part aus Sibelius' »Finlandia« mit den harten, fanalartigen Blechbläserakkorden. All das ergibt eine Vorstellung von unglaublicher Intensität.

Vor allem, als wie aus dem Nichts Katris Lieblingskuh »Kuro« ("die Schwarze") berserkergleich auf den Bären losstürmt


und ihn gegen den Baum rammt.
Und in diesen Szenen hat die Regie keinen Aufwand gescheut, das anständig umzusetzen in wirklich schlüssigen Bewegungsabläufen und dramatischer Dynamik! Mir ist schlicht das Maul offenstehen geblieben.

Unser heutiges Hornvieh wäre dagegen jämmerlich auf der Strecke geblieben, denn es ist ja kein Hornvieh mehr, sondern nur noch hornloses Stallvieh. Tempora mutantur. Aber es gibt ja auch nicht mehr so viele freilaufende Bären mehr …

Jedenfalls, und langer Rede kurzer Sinn: So muss Anime sein!


(Nachtrag: Anfang von Folge 24: Das hat sich die Kuh wahrhaftig verdient!)

Aber eigentlich wundert einen das nicht, wenn man wenige Folgen zuvor gesehen hat, wie couragiert die ansonsten so zurückhaltende Katri mit einem abgebrochenen Ast auf den Wolf losgeht und ihn in die Flucht schlägt.